Erotisches Hauchen
JAZZ: Quintett Accoustic Affaire mit Debüt-CD in Mannheim
Von unserem Mitarbeiter Mike Seifert
Mobiltelefone sind manchmal ein Segen, oft freilich ein Fluch der Neuzeit. Dann nämlich, wenn sie bimmeln, obwohl sie nicht sollen. Drum schaltet man sie bei Aufführungen halt ab, zumal sie mitunter der Technik ins Gehege kommen können. Ausgerechnet das Handy von Schlagzeuger Tomas Hammer ist noch in Betrieb, als das Quintett Acoustic Affaire in der Mannheimer Klapsmühl' am Rathaus gerade zum dritten Titel ansetzt.
Während der Trommler hektisch nach dem Apparat sucht, der nicht auffindbar scheint, quittiert Altsaxofonist Olaf Schönborn die Unterbrechung mit sarkastischem Witz: "Thomas wartet schon seit Jahren auf den ganz wichtigen Anruf, und genau jetzt kommt er." Nachdem der störende Handfunk endlich verstummt ist, katapultiert Schönborn die Nummer "New Start" mit einem jauchzenden Sax-Riff von der Rampe. Wie jedes Stück, das die Combo bei der Veranstaltung der IG Jazz im sehr gut besuchten Kleinkunsttheater intoniert, eine gelungene Gratwanderung zwischen den stilistischen Welten.
Acoustic Affaire, seit 1997 schon im Rhein-Neckar-Raum präsent, stellen ihr Debütalbum "Mira" vor und vermengen Latin-Elemente, Pop-Melodien und Blue Notes zu einem rassigen Cocktail, der die Gefahr birgt, dass man noch einen und noch einen bestellt. Tatsächlich hat die Musik der fünf Absolventen der Mannheimer Jazzhochschule den unwiderstehlichen Charakter von softem Bar-Jazz, der die handwerklich bravourösen Fertigkeiten des Ensembles ganz und gar in den Dienst der Songs stellt. Neben ein paar feinsinnig arrangierten Standards ziehen einen gereifte Eigenkompositionen wie "A Present With A View" in hypnotischen Bann.
Ungemein einschmeichelnd die Stimme von Sängerin Annette Kienzle, die sich zur Logopädin ausbilden ließ und Jazz- und Pop-Gesang sowie Klavier studierte, zwischenzeitlich bei diversen Musicals und Revueshows mitmachte ("Blutsbrüder", "Cabaret", "Souvenirs, Souvenirs") und außer bei Acoustic Affaire noch bei anderen Gruppen singt. Kienzle spielt entrückt mit den schwerelos schwebenden Vokallinien, demonstriert enorme Varietät bis hin zum hauchenden, knisternden Flüstern. Unschön, dass das Publikum im Augenblick der Begeisterung auch mal einen ihrer Einsätze wegklatscht, weil vorher Ralf Blaschke auf der Akustikgitarre oder Stefan Engels am Kontrabass ein bewegendes Solo dargeboten hat.
Die Interpretationen wie das eigene Material geraten bisweilen zum Fernweh-Soundtrack, relaxte Karibik-Rhythmen, von Hammer bei "Sorry To Say Goodbye" nur mit den Handflächen und Fingerspitzen gespielt, evozieren schwüle Tropenbilder. Insgesamt eine sehr erotische Affäre.
© Mannheimer Morgen 21.02.2003
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